Anwendungsbeispiel von openrouteservice: Förderung nachhaltiger Mobilität in Kleinstädten und äußerer Ballungsräume

Das ENHANCE Projekt untersucht mit Hilfe von Kartierung, Verhaltensforschung und Simulationswerkzeugen, wie das Konzept der 15-Minuten-Stadt auch über Metropolregionen hinaus Anwendung finden kann. Somit soll die Entwicklung von nachhaltigeren und inklusive Mobilitätslösungen gefördert werden.

Das ENHANCE Projekt, welches durch Driving Urban Transitions to a Sustainable Future (DUT) von JPI Europe finanziert wird, untersucht die Anwendung des Konzepts der 15-Minuten-Stadt (15-minute city (15mC) in äußeren Ballungsräumen und kleineren städtischen Gemeinden. Im Gegensatz zu dicht besiedelten Stadtzentren sind diese Gebiete oft abhängig von Autos, weisen eine lückenhafte Infrastruktur und räumlich verteilte Dienstleistungen auf, die nachhaltige Mobilitätsoptionen einschränken.

Das Projekt hat das Ziel, die empirische Grundlage des Konzepts der 15-Minuten-Stadt zu stärken, indem Methoden zur Kartierung lokaler Dienstleistungsangebote und zur Bewertung von Möglichkeiten für aktive Mobilität auf kurzen Strecken entwickelt werden. Außerdem wird das tatsächliche Mobilitätsverhalten untersucht, um Unterschiede in den Mobilitätsbedürfnissen verschiedener sozialer Gruppen zu verstehen und zu bewerten, inwieweit der tägliche Bedarf lokal gedeckt werden kann. Darüber hinaus schafft ENHANCE eine Simulationsumgebung, um die potenziellen Auswirkungen verschiedener Strategien zur Erreichung der 15-Minuten-Stadt-Ziele zu untersuchen. Dabei liegt ein besonderer Schwerpunkt auf Gerechtigkeit und Inklusion.

Methodik

Das Projekt kombiniert räumliche Analysen, Verhaltensforschung und Szenario-Modellierung und vereint Fachwissen aus mehreren Ländern. So hat beispielsweise die Vrije Universität Amsterdam (VU) Open-Source-Indikatoren entwickelt, die die Erreichbarkeit wichtiger Einrichtungen zu Fuß oder mit dem Fahrrad müssen, während das University College London (UCL) einen Fahrradindex erstellt hat, der sowohl die Fahrradinfrastruktur als auch die Präferenzen der Nutzenden unter Verwendung des Level of Traffic Stress-Rahmenwerks berücksichtigt. Die VU und die Universidad NOVA des Lisboa (UNL) untersuchen, wie die Stadtform, soziodemografische Faktoren und Mobilitätspräferenzen die Akzeptanz des 15-Minuten-Stadt-Konzepts sowie dessen Potenzial zur Verringerung der Abhängigkeit vom Auto beeinflussen. Die VU arbeitet außerdem mit einem niederländischen Unternehmen zusammen, um das individuelle Reiseverhalten mittels GPS-Tracking zu analysieren und so tiefere Einblicke in reale Mobilitätsmuster zu gewinnen.

Kartenvisualisierung mit verschiedenen Grüntönen, die den mittleren NDVI (Pop-gewichtet) in einem städtischen Gebiet darstellt. Werte reichen von 0 bis 0,7.
Ein Beispiel für die NDV-Berechnung

Um die Beziehungen zwischen bebauten Umgebungen und dem Mobilitätsverhalten der Menschen im Rahmen des Konzepts der 15-Minuten-Stadt zu erfassen, nutzte die VU openrouteservice, um 15-Minuten-Isochronen für aktive Fortbewegungsarten (d.h. Zufußgehen und Radfahren) auf Postleitzahlebene zu berechnen. Diese Isochronen bieten eine realistische Darstellung der Gebiete, die Menschen innerhalb kurzer Zeit erreichen können. Somit konnte das Projekt Maßnahmen zur Erreichbarkeit und die Umgebung direkt mit Verhaltensdaten verknüpfen. Dies lieferte dem Team differenzierte Erkenntnisse, die als Grundlage der Analysen dienten und dazu beitrugen, die Planung nachhaltigerer und integrativerer Städte zu gestalten.

In dieser Studie dienten die Zentroiden der sechsstelligen Postleitzahlen (PC6) als Ausgangspunkt für die Berechnung der Isochronen, wodurch sich ORS gut für die Erreichbarkeitsanalyse auf Stadt- und Regionalebene eignete.

Der in R und Python implementierte Workflow umfasste die folgenden Schritte

  • Erstellung von Isochronen: Das Forschungsteam erstellte zunächst 15-minütige Isochronen für Zufußgehende und Radfahrende für jeden PC6-Zentroid, wobei die unterschiedlichen Reisegeschwindigkeiten dieser beiden Verkehrsmittel berücksichtigt wurden.
  • POI-Extraktion: Diese Isochrinen wurden dann mit räumlichen Informationen aus OpenStreetMap und anderen Datensätzen (z.B. Landnutzung, BAG, Top10NL) angereichert, sodass das Team die potenzielle Erreichbarkeit jedes Ausgangspunkts in Bezug auf Points of Interest (POI) und die physische Umgebung charakterisieren konnte.
  • Berechnung von Umweltvariablen: Der NDVI (Normalized Difference Vegetation Index) wurde innerhalb jedes Isochrons Anhang von Satellitenbildern berechnet, sodass die Forschenden die Erreichbarkeit der Grünflächen quantifizieren und beurteilen konnten, ob eine grünere Umgebung zur aktiveren Fortbewegung anregt.
  • Bevölkerungsgewichtete Aggregation: Die resultierenden Indikatoren wurden anschließend mit den sozioökonomischen Merkmalen und Verhaltensdaten der Reisenden verknüpft, sodass das Team untersuchen konnte, wie die Merkmale der bebauten Umgebung die Wahrscheinlichkeit beeinflussen, innerhalb von 15 Minuten nachhaltige Wege (zu Fuß oder mit dem Fahrrad) zurückzulegen. Durch die Identifizierung von Umweltfaktoren, die durchweg positive Zusammengänge mit kurzen Distanzen aufweisen, liefert der Workflow eine empirische Grundlage für die Bewertung der Umsetzbarkeit der 15-Minuten-Stadt und für die Formulierung evidenzbasierten Empfehlungen für die Stadtplanung.

Vorläufige Ergebnisse

Basierend auf unseren vorläufigen Ergebnissen (derzeit nur für Amsterdam) scheinen soziodemographische Merkmale einen stärkeren Einfluss auf das 15-Minuten Radfahren zu haben als auf das 15-Minuten Gehen. In Wohnorten mit höherer potenzieller Erreichbarkeit, ist die Wahrscheinlichkeit nachhaltige 15-Minuten-Wege zurückzulegen, höher. Darüber hinaus erhöhen die Vielfalt und Ausgewogenheit der POI-Kategorien die Wahrscheinlichkeit, dass Menschen solche Wege zurücklegen. Die Infrastruktur für Zufußgehende und Radfahrende trägt ebenfalls zu einer höheren Nutzung von 15-Minuten Fuß- und Radwegen bei. Außerdem zeigt die Bevölkerungsdichte auch einen positiven Zusammenhang zu 15-Minuten Wegen, hat jedoch keinen Einfluss auf 15-Minuten Radwege. Diese Ergebnisse unterstreichen, dass die bebaute Umgebung das Gehen und Radfahren auf unterschiedliche Weise beeinflusst und betonen, wie wichtig es ist, sie als separate Verkehrsmittel zu behandeln, anstatt sie im Rahmen der 15-Minuten-Stadt unter “aktiver Mobilität” in der Verkehrs- und Stadtplanung zusammenzufassen.

Verwendest du openrouteservice in Forschungsarbeiten oder Projekten zu nachhaltiger Mobilität oder im Katastrophenmanagement? Kontaktiere communications[at]heigit.org, um auf unserem Blog vorgestellt zu werden.