Unter dem Hauptthema “Spatial data for design” wird die 26. AGILE Konferenz diese Woche in Delft, Niederlanden veranstaltet. Neben einer Vielzahl an geo-räumlichen Themen spielt das Katastrophenmanagement noch immer eine entscheidende Rolle in GIScience. Simon Groß und Sven Lautenbach werden das Paper “Exploring MapSwipe as a Crowdsourcing Tool for (Rapid) Damage Assessment: The Case of the 2021 Haiti Earthquake” präsentieren, das potentielle neue Anwendungsfälle für die App MapSwipe erforscht.
Schnell und verlässliche geographische Information ist lebenswichtig im Katastrophenmanagement. In den späten 2000er entstand Crowdsourcing als eine wirkungsmächtige Methode, um diese Information bereitzustellen. Base mapping mithilfe von Crowdsourcing ist bereits gut in Entlastungsprozessen etabliert. Zwar wird die Schadensauswertung nach einer Katastrophe durch Crowdsourceing erforscht, aber ist dies noch nicht institutionalisiert. Aus diesem Grund beschäftigt sich das Paper von Groß et al. mit der Entwicklung von Ansätzen zur Schadenauswertung basierend auf MapSwipe, einer etablierten mobilen Applikation für crowdsourced base mapping. Der Ansatz wurde für eine Fallstudie nach dem Erdbeben 2021 in Haiti getestet.
Ein neuer Anwendungsfall für MapSwipe?
Bis jetzt wird MapSwipe hauptsächlich dafür genutzt, um Daten für basemapping zu sammeln, bei dem Nutzende Kacheln taggen wenn sie zum Beispiel eine Straße oder ein Gebäude entdecken.
Um Daten zur Schadensbewertung zu sammeln, wurde in MapSwipe ein neuer Projekttyp eingeführt. Die Nutzenden können nun „beschädigt“, „vielleicht beschädigt“ oder „schlechtes Bild“ markieren (keine Markierung bedeutet keinen Schaden), während sie ein Vorher-Nachher-Luftbild sehen.
Bis heute gibt es keine institutionalisierte Plattform für die Schadensbewertung durch die Allgemeinheit. Daher untersucht dieses Projekt das Potenzial von MapSwipe, diese Lücke zu schließen.
Das Paper
In dem Paper „Exploring MapSwipe as a Crowdsourcing Tool for (Rapid) Damage Assessment: The Case of the 2021 Haiti Earthquake“ wird die Qualität der MapSwipe-Daten analysiert, indem sie mit einem von den Autoren erstellten Referenzdatensatz verglichen werden. Dies wird durch die folgende Forschungsfrage eingerahmt:
RQ1: Wie gut eignet sich MapSwipe als Instrument zur Klassifizierung von Gebäudeschäden durch die Bevölkerung?
Anschließend werden die MapSwipe-Daten mit einem etablierten (aber nicht von der Allgemeinheit stammenden) Arbeitsablauf zur Schadensbewertung durch den Copernicus Emergency Management Service (CEMS) verglichen:
RQ2: Wie lassen sich die Crowdsourcing-Informationen über Gebäudeschäden von MapSwipe mit den institutionalisierten Informationen vergleichen, die durch das CEMS gewonnen werden?
Das Untersuchungsgebiet
Am 14. August 2021 erschütterte ein Erdbeben der Stärke 7,2 die südwestliche Halbinsel von Haiti (Figure 2). Das spezifische Untersuchungsgebiet war die Stadt Les Cayes 40 km südwestlich des Epizentrums, das mit MapSwipe-Kacheln überlagert wurde (Figure 3).
Methodik
Das Studiendesign ist unkompliziert. Für jede Kachel gibt es sechs bis acht Antworten von Freiwilligen. Anschließend wurden verschiedene Schwellenwerte für die Klassifizierung einer Kachel als beschädigt untersucht, z. B. 30 % der Nutzenden, die „Schaden“ markierten, oder 60 % der Nutzenden, die „Schaden“ markierten.
Diese verschiedenen Schwellenwerte wurden dann verwendet, um eine Qualitätsbewertung mit dem Referenzdatensatz für RQ1 und eine Übereinstimmungsanalyse mit Cohen’s Kappa für RQ2 durchzuführen.
Ergebnisse
RQ1
Die Ergebnisse geben einen positiven Ausblick für den neuen Anwendungsfall. F1 erreicht seinen Höchstwert bei einem Schwellenwert von 35 %, was darauf hindeutet, dass mit einem niedrigeren Schwellenwert als der einfachen Mehrheitsabstimmung ein besseres F1-Ergebnis erzielt werden kann.
RQ2
Für RQ2 deuten die Cohen’s Kappa-Werte auf eine nur geringe Übereinstimmung mit den Copernicus-Daten hin, die bei einem viel strengeren Schwellenwert für eine MapSwipe-Schadendefinition von 65 % einen Höchstwert von 0,16 erreicht.
Diskussion
Im Allgemeinen gibt der F1-Wert von > 0,6 einen positiven Ausblick für die Schadenserkennung mit MapSwipe. Der Schwellenwert für die Schadensdefinition könnte auch je nach Anwendungsfall angepasst werden, z. B. mit einem höheren Schwellenwert für die erste Reaktion und einem niedrigeren Schwellenwert für detailliertere und eingehendere Hilfsmaßnahmen zu einem späteren Zeitpunkt. Die Kombination von Crowdsourcing mit etablierten Methoden wie CEMS könnte für die künftige Forschung ebenfalls interessant sein, ebenso wie das Potenzial der Kombination von Crowdsourcing mit Automatisierung und Deep-Learning-Ansätzen.
Auch neue Funktionalitäten könnten in MapSwipe integriert werden, z. B. die Verwendung von Punktplatzierungen zur Kennzeichnung beschädigter Gebäude anstelle der Kennzeichnung der gesamten Kachel und Push-Benachrichtigungen, um die Dringlichkeit im Katastrophenfall zu kommunizieren.
Generell könnte die Einbeziehung der Schadensbewertung in MapSwipe auch dazu beitragen, neue Nutzer durch die mediale Aufmerksamkeit zu gewinnen, die eine Katastrophe erzeugt, und so eine größere Community für die App zu schaffen.
Das Paper wird auf der AGILE Konferenz am 15.06.2023 präsentiert werden.
Die Codes für das Paper sind verfügbar unter diesem GitHub Repository.
Für das komplette Paper siehe:
Groß, S., Herfort, B., Marx, S., and Zipf, A.: Exploring MapSwipe as a Crowdsourcing Tool for (Rapid) Damage Assessment: The Case of the 2021 Haiti Earthquake, AGILE GIScience Ser., 4, 5, https://doi.org/10.5194/agile-giss-4-5-2023, 2023.