Titelbild: Teamvertreter von DRK, DRL und HeiGIT in dem Nachbau der europäischen Forschungskapsel COLUMBUS, die einen Teil der internationalen Raumstation (ISS) bildet. Foto: Anne Schneibel, 24.01.2023.
Welche Gebäude sind nach einem Erdbeben am schwersten beschädigt? Welche Gegenden haben keinen Zugang zu Gesundheitseinrichtungen? Wie verändert sich die Routenplanung und somit die Notfallversorgung, wenn bestimmte Straßen und Brücken nicht nutzbar sind?
Das Heidelberg Institute for Geoinformation Technology gGmbH (HeiGIT) arbeitet seit einigen Jahren mit dem Deutschen Roten Kreuz (DRK) und mit dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) zusammen, um Fragen wie diese anzugehen. Die Kooperation zwischen HeiGIT und DRK wurde 2019 durch ein Memorandum of Understanding formalisiert und durch eine von der Klaus Tschira Stiftung finanzierte Fachreferentenstelle für Geoinformatik innerhalb des Teams Internationale Zusammenarbeit des DRK weiter verstärkt.
Im CitizenScience-Projekt UndercoverEisAgenten kommen junge Bürgerwissenschaftler*innen dem Permafrosttauen in der Arktis auf die Spur. An dem Projekt arbeiten DLR, HeiGIT und AWI zusammen. Hinzu kamen in den letzten Jahren einige weitere Kooperationen, wie etwa das Data4Human Projekt (“Bedarfsorientierte Datendienste für humanitäre Hilfe”) des DLR, welches sowohl von DRK als auch HeiGIT unterstützt wurde. In Data4Human sollten Fernerkundungsdaten und weitere Datenquellen analysiert werden, um kontinuierliche Nutzungsmöglichkeiten im humanitären Kontext aufzuzeigen. Die Themenbereiche umfassten aktuelle technische Aspekte wie künstliche Intelligenz, Nutzung web-basierter Datenquellen und auch Schaffung dynamischer Schnittstellen zum Datenaustausch.
Die jeweiligen Expertisen von HeiGIT und DLR ergänzen sich in vielen Teilbereichen des Katastrophenmanagements. Durch vom DRK vorgegebene Kenntnisse aus der humanitären Praxis kann die Lücke zwischen Forschung und Praxis überwunden sowie für die Praxis relevante technologische Innovationen gezielt entwickelt werden. Ziel der Kooperation ist es, breit aufgestellte, wissenschaftliche, technische und speziell Geoinformatik Expertise für die Praxis zugänglich zu machen. Insbesondere die Fusion von Erdbeobachtungs – und Crowdsourcing Daten sowie Anwendungen sind hierbei im Fokus, da diese vielversprechende, ganzheitliche Lösungsansätze für komplexe Herausforderungen wie Mitigations- und Adaptionsmaßnahmen, besonders auch in Zeiten des Klimawandels, bietet.
Anwendungen werden zum Beispiel entwickelt und implementiert, um Informationen gezielter und digital zu erheben, zur besseren anschließenden Analyse und Verarbeitung. Genutzt werden kann dies bei der Projektplanung und der Erstellung von Szenarien aber auch bei der Durchführung von Nothilfen. Die digitale Aufbereitung und Kombination von Daten, in einer nutzerfreundlichen Anwendung, hilft auch nicht technikerfahrenen Personen Antworten zu finden und Ergebnisse zu kommunizieren.
Im direkten Austausch mit dem Projektteam wird verdeutlicht, wie neue Technologien und methodische Ansätze und Entwicklungen aus der aktuellen Forschung genutzt werden können. Dabei geht es von der einfachen Digitalisierung eines Prozesses, wie der Erhebung von Daten, bis zur Nutzung von Künstlicher Intelligenz und Auswertung von Satellitenbildern. Je nach Kontext werden dabei verschiedene Fragen beantwortet: Wie kann ich die Lage an einem Ort einschätzen, wenn ich keinen räumlichen Zugang besitze? Wo wohnen die vulnerabelsten Bevölkerungsgruppen? Welche Gebiete sind im Falle einer Flut am stärksten betroffen und welche Maßnahmen müssen dann erfolgen? Welche Gebäude sind nach einem Erdbeben wie schwer beschädigt? Welche Gegenden haben keinen Zugang zu Gesundheitseinrichtungen? Wie schnell können sich Viruserkrankungen in einem Land ausbreiten und was kann dies zur Folge haben? Wie verändert sich die Routenplanung und somit die (Notfall-)Versorgung, wenn bestimmte Straßen und Brücken nicht nutzbar sind?
Anfangs 2023 trafen sich Vertreter von HeiGIT, DRK und DLR beim DLR in Oberpfaffenhofen, um aktuelle Projekte sowie strategische Ziele der Organisationen zu teilen und Synergien zu identifizieren. Auf dieser Basis wurden gemeinsame Projektideen zusammengestellt. Im Februar wird in Berlin ein weiterer Workshop stattfinden, bei dem HeiGIT und DLR mit den Teams der verschiedenen Länder (Länderreferent*innen, Delegationen und Nationale Gesellschaften, DRK-Sachgebiete) enger miteinander vernetzt werden. Hierdurch wird die Kommunikation gefördert und es werden konkrete Projektpunkte identifiziert. In offenen Diskussionsrunden sollen die Projekte des DRK und der nationalen Schwestergesellschaften beleuchtet werden, um das existierende Potenzial der bestehenden oder aber auch möglichen Anwendungen und Dienstleistungen des HeiGIT und DLR zu nutzen.
Bereits durchgeführte Beispiele sind unter anderem die methodische und technische Unterstützung von nationalen Schwestergesellschaften des Roten Kreuz oder die gezielte, bedarfsorientierte Weiterentwicklung des Sketch Map Tools. Bei Letzterer handelt es sich um eine Anwendung zur papiergestützten Erfassung von lokalem Wissen mit Raumbezug und der Möglichkeit des automatischen zur Verfügungsstellens der erfassten Merkmale in digitaler Form.