Nahrungsmittelproduktion neu geordnet: Wie wir die Vegetationszonen auf unserem Planeten effizienter nutzen können
Stell dir vor, man könnte die Menge der auf unserem Planeten angebauten Pflanzen nahezu verdoppeln und gleichzeitig ließen sich die Süßwasservorräte und die Kohlenstoffspeicherung erhöhen! Ich sage dir: Das könnten wir tatsächlich machen, wenn wir die Standorte der Nahrungsmittelproduktion auf unserem Planeten neu ordnen würden. Das biophysikalische Potenzial des Planeten Erde ließe das zu. Die Forscher*Innen Sven Lautenbach (Universität Heidelberg und HeiGIT), Anita Bayer und Almuth Arneth (beide Karlsruher Institut für Technologie, Campus Alpin in Garmisch-Partenkirchen) haben das herausgefunden und in ihrem neuen Artikel veröffentlicht, der jetzt in der renommierten Fachzeitschrift „Proceedings of the National Academy of Sciences“ (PNAS) erschienen ist.
Die Sache ist die: Unsere globalen Landnutzungsmuster und damit die Orte, an denen und wie wir unsere Lebensmittel produzieren, sind das Ergebnis einer langfristigen historischen Entwicklung. Da sich aber unser Konsumverhalten in den letzten Jahrhunderten verändert und erhöht hat, sind diese Produktionsorte von Nahrungsmitteln nicht mehr nachhaltig: Sie spiegeln nicht das biophysikalische Potenzial unserer Ökosysteme wider. Wir zerstören Wälder, um mehr Anbauflächen zu gewinnen, und setzen stark auf Bewässerung – Maßnahmen, die massive, negative Auswirkungen auf den Wasserschutz und die Kohlenstoffbindung haben. Und mit der wachsenden Weltbevölkerung werden auch diese Probleme immer größer. Kurzgesagt: Technisch gesehen macht es einfach keinen Sinn, Lebensmittel dort zu produzieren, wo wir es jetzt tun.
Was wäre, wenn wir unsere Lebensmittelproduktionsflächen an effizienteren Orten neu anordnen könnten? Wenn wir unsere Nahrungsmittel dort anbauen würden, wo wir nicht so sehr auf Bewässerung angewiesen sind? Das wollten Lautenbach, Bayer und Arneth wissen und haben deshalb ein dynamisches Modell für Vegetation mit einem Optimierungsalgorithmus kombiniert und auf globale Landnutzungsdaten angewandt. Die daraus gebildeten Modelle für optimierte Landnutzung entsprechen den Klimabedingungen aus nahen und fernen Zukunftszenarien (2033-2042 und 2090-2099). Dabei wurden jeweils ein optimistisches und ein realistisches Emissionsszenario verwendet. Im Vergleich zu unveränderten Produktionsflächen, fanden die Forschenden heraus, dass die Nahrungsmittelproduktion allein durch umordnen dieser Flächen um 83 % gesteigert werden könnte, während gleichzeitig der verfügbare Wasserabfluss um 8 % und die Kohlenstoffspeicherung um 3 % erhöht würden. Wenn man eines dieser Ziele vorrangig vor den anderen angehen würde, wären die Verbesserungen sogar noch größer.
Voraussetzung dafür wäre allerdings eine radikale räumliche Neuordnung der Lebensmittelproduktion. Wie würde eine solche räumlich optimierte Nahrungsmittelproduktion aussehen?
-
Tropische und boreale Wälder würden aufgrund ihrer hohen Kapazität zur Kohlenstoffspeicherung natürliches Terrain bleiben und nicht für die Nahrungsmittelproduktion genutzt oder zerstört werden.
-
Bei optimaler Nutzung würden die gemäßigten Regionen in geringerem Maße als Weideland und stattdessen hauptsächlich für den Ackerbau genutzt werden. Dadurch könnte der Flächenverlust durch die Wiederaufforstung der tropischen und borealen Wälder ausgeglichen werden.
-
Die weiten, offenen Flächen der tropischen und subtropischen Savannen sowie das Grasland würden hauptsächlich als Weideland für die Futtermittelproduktion genutzt werden.
Nach Ansicht der Forschenden zeigt die Studie deutlich, dass trotz ungünstiger klimatischer Veränderungen das Potenzial besteht, die landwirtschaftlichen Erträge durch optimierte Landnutzung bei gleichzeitiger Begrenzung des Flächenverbrauchs deutlich zu steigern. „Auch wenn solche großflächigen Landnutzungsänderungen auf den ersten Blick völlig unrealistisch erscheinen, ist es hilfreich, sich klar zu machen, dass der Klimawandel ohnehin zu großen Veränderungen der Anbauflächen führen wird“, sagt Professor Sven Lautenbach, Wissenschaftler am Geographischen Institut der Universität Heidelberg und HeiGIT-Mitglied, der auch maßgeblich an der Studie beteiligt war. „Diese zu erwartenden Veränderungen sollte man nicht einfach geschehen lassen, sondern verstärkt versuchen, sie unter Berücksichtigung des biophysikalischen Potenzials zu gestalten.“
Ausführlichere Informationen über die räumlichen Auswirkungen einer solchen Optimierung und darüber, was bei einer solchen Analyse nicht berücksichtigt werden kann (z.B. Hindernisse für den globalen Handel), findest du hier: https://www.pnas.org/doi/10.1073/pnas.2220371120