Im Juni 2024 führten Wissenschaftler*innen des Urban Big Data Centre (UBDC) und HeiGIT (Heidelberg Institute for Geoinformation Technology) eine gemeinsame Exkursionen nach Kolumbien durch, um dort die Zusammenarbeit für partizipative Kartierung zu stärken. Der Besuch umfasste gemeinsame Workshops, Treffen mit Partnern und praktische Arbeiten mit Gemeinschaften, Universitäten und staatlichen Einrichtungen. Dabei lag der Fokus auf der Nutzung und Entwicklung des Sketch Map Tools und des Waterproofing Data Ansatzes. Dieses Engagement vor Ort ist der Schlüssel zur Vertiefung von Partnerschaften, zur Anpassung von Ansätzen an lokale Bedürfnisse und zur Gestaltung künftiger gemeinsamer Arbeit zu partizipativen Kartierungen in Lateinamerika.
Wachsende Partnerschaften zur Stärkung der partizipativen Kartierung und des Katastrophenrisikomanagements in Kolumbien
Partizipatives Kartieren gewinnt in Kolumbien zunehmend an Bedeutung, nicht nur in den Gemeinschaften und in Klassenräumen, sondern auch auf einer höheren Ebene im Katastrophenrisikomanagement. Dieser Prozess wurde durch Werkzeuge wie das Sketch Map Tool, mit welchem handgezeichnete Karten einfach digitalisiert werden können, und durch gemeinschaftsbasierte Ansätze zur Datenerfassung wie das Waterproofing Data Projekt, gefördert.
HeiGIT arbeitet mit dem Kolumbianischen Roten Kreuz bereits seit 2023 zusammen. In Zusammenarbeit mit UBDC wurde diese gemeinsame Arbeit dann auf die kolumbianische Behörde für Katastrophenrisikomanagement Unidad Nacional para la Gestión del Riesgo de Desastres (UNGRD) ausgeweitet. Dieses wachsende Engagement spiegelt eine breitere Erkenntnis wider: dass lokales Wissen und die Koproduktion von Geodaten für den Aufbau widerstandsfähiger, gemeinschaftsbezogener Reaktionen auf Katastrophen entscheidend sind.
Die Einführung digitaler Werkzeuge wie das Sketch Mao Tool, welches ursprünglich vom Roten Kreuz in EVCA-Prozessen eingesetzt wurde und nun von der UNGRD-Direktion für Risikowissen in die Initiative Mapas Comunitarios (“community maps”) integriert wurde, signalisieren einen Wandel hin zu institutionalisierten partizipativen Ansätzen.
Diese Entwicklungen werden durch die Zusammenarbeit zwischen HeiGIT und dem Urban Big Data Centre (UBDC) im Rahmen des Waterproofing Data Projekts unterstützt, das Kolumbien ausgewählt hat, um das Projekt nach seiner erstmaligen Umsetzung in Brasilien zu erweitern. Es werden partizipative Verfahren zur Überwachung des Niederschlags und zur Vermittlung von Datenkompetenz eingeführt, die zuvor in Brasilien entwickelt wurden und nun in Bogotá, Cali und Manizales erprobt werden.

Forschungsbesuche und Zusammenarbeit für eine echte Wirkung vor Ort
Ein gemeinsamer Besuch vor Ort im Juli 2024 bot HeiGIT und UBDC die Möglichkeit, die den UNGDR-Vorstand bei der Einbindung des Sketch Map Tool in ihren „Mapas Comunitarios“ Workflow zu unterstützen, um die lokale Kartierung mit den nationalen politischen Rahmenbedingungen in Einklang zu bringen. Darüber hinaus vertiefte die Zusammenarbeit mit dem Kolumbianischen Roten Kreuz die Implementierung des Sketch Map Tool im Zusammenhang mit erweiterten Risiko- und Kapazitätsbewertungen in ganz Kolumbien, einschließlich Folgemaßnahmen zu Schulungen, Datennutzung und institutioneller Verankerung.
Gleichzeitig wurden im Rahmen einer Zusammenarbeit zwischen UBDC und UNGRD erste Vereinbarungen mit Behörden in Bogotá, Cali und Manizales getroffen. Die lokalen Katastrophenschutzteams äußerten ihr Interesse an der Beobachtung von Niederschlägen und an wasserbedingten Auswirkungen in Zusammenarbeit mit Schulen und Gemeinden. Dabei wurde der in Brasilien und Burundi entwickelte methodische Ansatz übernommen.
Der Besuch war auch eine gute Gelegenheit, die Forschungszusammenarbeit mit der Universidad de La Guajira und der Universidad Distrital Francisco José de Caldas in Bogotá zu stärken. Es wurde ein Kurs zur partizipativen Kartierung sowie eine öffentliche Vorlesung gehalten, in der Anne Schauss (HeiGIT) und Diego Pajarito Grajales (UBDC) verschiedene Fallstudien mit Studierenden und Forschenden teilten. Treffen mit nationalen und akademischen Institutionen (OPIAC (Nationale Organisation der indigenen Völker im kolumbianischen Amazonasgebiet), dem Wohnungsbauministerium, und der Universität Javeriana, unter anderem) waren wichtig, um gemeinsame Themen von Interesse zu erkunden und zu erörtern, wie partizipative Kartierungsbemühungen in Zukunft ausgeweitet werden können.
Partizipatives Kartieren mit dem Sketch Map Tool
Der Hauptteil der Feldarbeit wurde an der School of Engineering an der Universität von La Guajira durchgeführt, die einen Kurs über partizipatives Kartieren veranstalteten, um Beteiligung und die lokale Datenproduktion zu fördern.
Die Region La Guajira in Kolumbien ist seit jeher mit sozialen Ungleichheiten in einem komplexen Umfeld mit großer Bevölkerungsvielfalt und einer riesigen Menge an natürlichen Ressourcen (z.B. Kohle, Gas, Wind und Sonne) konfrontiert. Daten und offizielle Statistiken reichen noch immer nicht aus, um faire und gerechte Entwicklungspläne oder Forschungsprojekte zu gewährleisten, die das Wissen, die Bedürfnisse und die Perspektiven der Vorfahren und der lokalen Bevölkerung sinnvoll einbeziehen.
Die Forschungsgruppe für Umweltsysteme (GISA) an der Universität von La Guajira hat partizipative Kartierung in ihre Forschungsprojekte integriert, beispielsweise zur Bewertung von Lösungen für Hochwasserrisikomanagement und zur Überwachung der Wasserqualität. GISA hat sich mit HeiGIT und UBDC zusammengetan, um diese gemeinschaftsbasierte Arbeit durch einen maßgeschneiderten Kurs über partizipative Kartierung zu erweitern.
Kurs zu Partizipativer Kartierung und Koproduktion von Geodaten
Das Ergebnis dieser Zusammenarbeit war der Kurs “Partizipative Kartierung und Koproduktion von Geodaten mit dem Sketch Map Tool”, welcher gemeinsam von UBDC und HeiGIT als interdisziplinärer und interkultureller Raum für den Austausch von Ideen rund um Kartierung und Daten-Koproduktion konzipiert wurde. Vier Tage lang diskutierten die Teilnehmenden über die Grundsätze partizipativen Kartierens und die damit verbundene ethischen Fragen. Gleichzeitig führten sie praktische, vertiefende Übungen mit dem Sketch Map Tool und anderen digitalen Werkzeugen durch, die partizipatives Kartieren ermöglichen. Während des Kurses erfuhren die Teilnehmenden, wie das Sketch Map Tool bei allen Phasen der partizipativen Kartierung unterstützt, von der Diskussion, über die Bedeutung von Basiskarten und der Entwicklung einer Kartierungsstrategie bis hin zur Durchführung einer Kartierungsübung in Form eines Rollenspiels. Sie lernten außerdem, wie sie ihre Kartierungspraktiken mit der KI-Komponente des Tools in Einklang bringen können, analysierten die Ergebnisse und probierten verschiedene Möglichkeiten zur Visualisierung und Weiterverarbeitung der Daten in GIS-Systemen.
Der Kurs brachte Teilnehmende aus lokalen Regierungsbehörden, Forschende, Universitätsstudierende und Nicht-Regierungsorganisationen zusammen. Er diente auch dazu, die verschiedenen in der Region durchgeführten Kartierungsmaßnahmen (z.B. Risikomanagement) durch Präsentationen lokaler Führungskräfte vorzustellen. Der interaktive Kurs befähigte die Teilnehmenden außerdem dazu, kritisch über faire und integrative partizipatorische Ansätze nachzudenken und diese in ihren eigenen Projekten anzuwenden.
Die Teilnehmenden zeigten während des gesamten Kurses großes Engagement und bekundeten ihr Interesse an der Übernahme des Sketch Mao Tools sowie die Daten-Koproduktion innerhalb der Gemeinden zu ermöglichen. Darüber interessierten sich die Teilnehmenden für die Umweltüberwachungstrategie, für die sich UBDC mit dem Waterproofing Data Project einsetzt.

Kartierung im Feld mit Wayuu-Gemeinschaften
Ein Teil der Aktivitäten von UBDC und HeiGIT in Zusammenarbeit mit der Universität von La Guajira bestand in der Durchführung einer partizipativen Kartierung mit Wayuu-Gemeinschaften, die die größte indigene Bevölkerung in Kolumbien darstellen.
Der Workshop zur partizipativen Kartierung wurde im Nationalpark Los Flamencos im Rahmen des Projekts “Bewertung der Umweltqualität von Mikroplastik im Fauna- und Flora-Schutzgebiet Los Flamencos im Distrikt Riohacha, La Guajira, Kolumbien” durchgeführt. Das Projekt zielt darauf ab, das Bewusstsein der lokalen Gemeinschaften zu schärfen und ihre Kapazitäten für den Umgang mit Mikroplastik in den Lagunen, in der sie leben, zu entwickeln. Die Gemeinden sind in hohem Maße von den natürlichen Ressourcen der Lagunen abhängig, die durch die Verschmutzung mit Mikroplastik zunehmend gefährdet sind. In einer World-Café-ähnlichen Kartierungssitzung, die in Spanisch und Wayuunaiki abgehalten wurde, kartieren die Teilnehmenden aus drei verschiedenen Gemeinden wichtige Informationen zu drei Themen: Müllansammlungen, saubere und verschmutzte Wasserzuflüsse und Fischereigebiete.

Die Zukunft des partizipativen Kartierens in Kolumbien und darüber hinaus
Kolumbien entwickelt sich zu einem wichtigen Standort, an dem technische Innovation, politische Interessen und grundlegendes Wissen zusammenkommen. Dies macht das Land zu einem vielversprechenden Ort für die Gestaltung der Zukunft partizipativer Geodatenpraktiken in Lateinamerika. Die lokale Datenproduktion spielt eine wichtige Rolle für eine gerechte, widerstandsfähige und kontextabhängige Entscheidungsfindung, welche gerade im Kontext von fortschrittlichen Regierungsführungen, Friedenskonsolidierungen sowie von geographischer, kultureller und ökologischer Vielfalt geprägt ist.
Der Aufenthalt in Kolumbien mit der Durchführung von Workshops, Treffen mit Partnern und der Zusammenarbeit mit lokalen Akteuren und Gemeinschaften hat uns eindrucksvoll vor Augen geführt, wie wichtig es ist, technische Instrumente an realen Bedürfnissen und Erfahrungen auszurichten. Diese Interaktionen haben wertvolle Einblicke in die lokalen Herausforderungen und Möglichkeiten im Zusammenhang mit der Koproduktion von Geodaten geboten und gleichzeitig die Bedeutung fairer, inklusive und kulturell geprägter Ansätze unterstrichen.
Die gemeinschaftliche Nutzung des Sketch Map Tools durch praktische Übungen, Feldaktivitäten und ausführliche Diskussionen mit institutionellen Partnern ermöglicht es uns, kritisch über aktuelle Möglichkeiten und Grenzen nachzudenken. Wir arbeiten daran, diese Erfahrungen in technische Verbesserungen umzusetzen und sicherzustellen, dass das Sketch Map Tool weiterhin eine faire und sinnvolle partizipative Kartierung unterstützt. Gleichzeitig eröffneten die Diskussionen über Bildung und die Rolle der Schüler*innen bei der Beobachtung ihrer Gebiete und der Identifizierung der Auswirkungen externer Klimaereignisse durch Strategien wie Waterproofing Data die Möglichkeit, darüber nachzudenken, wie Katastrophenrisiken in städtischen Räumen effektiv gemanagt werden können.
Wir haben positives Feedback und ein starkes Interesse von einer Vielzahl der Akteuren erhalten, was die Relevanz und die Wirkung unseres partizipativen Ansatzes sowie das große Potenzial für eine künftige Zusammenarbeit zu verschiedenen Themen in Kolumbien bestätigt. Wir freuen uns auf die weitere Zusammenarbeit und gemeinsame Entwicklung sowie auf neue Partnerschaften und zukünftige Anwendungen.
Dieser Blogpost wurde gemeinsam von HeiGIT und UBDC verfasst.
Für mehr Informationen zur Funktionsweise des Sketch Map Tool, gibt es hier ein Videotutorial. Auf unserer Projektwebsite gibt es ebenfalls mehr Informationen. Um über neue Releases und Fallstudien auf dem Laufenden zu bleiben, können Sie den Newsletter abonnieren.
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