Ein neuer globaler Datensatz des HeiGIT (Heidelberg Institute for Geoinformation Technology) ermöglicht es weltweit zwischen befestigten und unbefestigten Straßen mit bisher unerreichter Konsistenz zu unterscheiden. Die aus hochauflösenden Satellitenbildern abgeleiteten Daten erlauben eine verlässlichere Routenplanung, Erreichbarkeitsanalyse und die Erfassung von Infrastrukturveränderungen im Zeitverlauf, insbesondere in Regionen, in denen aktuelle Informationen vor Ort fehlen. Aufbauend auf einem früheren HeiGIT-Datensatz, der auf Mapillary und OpenStreetMap basierte, bietet die neue Veröffentlichung eine systematische, von lokalen Datenverfügbarkeiten unabhängige Sicht auf Infrastrukturveränderungen.
Während zahlreiche globale Straßenkarten existieren, enthalten nur wenige detaillierte Informationen über Straßenbeläge oder bilden den raschen Infrastrukturwandel adäquat ab. Der neue HeiGIT-Datensatz schließt diese Lücke, indem er PlanetScope-Satellitenbilder mit einer Auflösung von 3 -4 Metern (2020–2024) mit Deep-Learning-Modellen kombiniert. Dieser Schritt ermöglicht die Analyse von über 9,2 Millionen Kilometer bedeutender Verkehrsverbindungen zwischen Städten und ländlichen Regionen. Das Ergebnis ist eine globale Klassifikation mit einer Genauigkeit von 89,2 %, die gängige offene Datensätze um mehr als 20 Prozentpunkte übertrifft.
Ein zentrales Element des Datensatzes ist der „Humanitarian Passability Score“ – ein Index, der Straßenoberfläche und -breite kombiniert, um die Zugänglichkeit unter unterschiedlichen Bedingungen abzuschätzen. Diese Kennzahl unterstützt eine bessere Routenplanung für Logistik, Infrastrukturmanagement und Katastrophenvorsorge.
„Mit diesem Datensatz können humanitäre Akteure erkennen, welche Routen auch unter extremen Wetterbedingungen oder saisonalen Einschränkungen befahrbar bleiben“, erklärt Prof. Alexander Zipf, Wissenschaftlicher Direktor des HeiGIT. „Er liefert ein bislang fehlendes Puzzleteil für die Navigation in Regionen mit unzuverlässigen Straßeninformationen.“

Qualitative Beispiele für die Segmentierung der Straßenoberfläche und die Festlegung der Breite. Diese Abbildung veranschaulicht den Arbeitsablauf und die Herausforderungen bei der Extraktion von Straßenattributen aus PlanetScope-Bildern mit einer Auflösung von 3-4 m.
Über die Routenplanung hinaus verknüpft der Datensatz Verbesserungen der Straßenqualität mit der menschlichen Entwicklung. Die Analysen des HeiGIT zeigen deutliche Ungleichheiten: In Europa und Nordamerika sind mehr als 96 % der Straßen befestigt, während Subsahara-Afrika im Durchschnitt nur 63 % erreicht – mit einem Infrastrukturdefizit, das vor allem in ländlichen Räumen konzentriert ist. Regionen mit einem höheren Anteil befestigter Straßen und einem schnelleren Tempo neuer Asphaltierungen seit 2020 weisen tendenziell höhere Werte im „Human Development Index“ auf und unterstreichen damit Infrastruktur als dynamisches Maß für sozioökonomischen Fortschritt. Solche Daten können Regierungen, Entwicklungsorganisationen und Forschende dabei unterstützen, gezielte Investitionen in Straßeninfrastruktur zu planen, um die Erreichbarkeit und Resilienz von Räumen zu stärken.
„Im Gegensatz zu traditionellen Indikatoren wie Nachtlichtdaten zeigen Straßennetze Entwicklungen auf lokaler Ebene – sie machen sichtbar, wie Veränderung tatsächlich vor Ort stattfindet“, sagt die Projektleiterin Dr. Sukanya Randhawa, “Wenn wir Satellitenbilder mit wirtschaftlichen Entwicklungsdaten verbinden, lässt sich der Wandel der Infrastruktur als messbares Signal für Fortschritt und Verwundbarkeit zugleich erfassen.“
Das mehrjährige Design des Datensatzes erfasst Veränderungen der Straßenbedingungen, etwa durch Neubau oder Verfall bestehender Infrastruktur. Damit ergeben sich Anwendungen von der globalen Beobachtung bis zur lokalen Entscheidungsunterstützung: Auf planetarer Ebene liefert der Datensatz ein Rahmenwerk zur Verfolgung von Entwicklungsprozessen; auf nationaler Ebene unterstützt er Bewertungen von Infrastruktur und wirtschaftlicher Vulnerabilität. Fallstudien in Ghana und Pakistan verdeutlichen die Einsatzmöglichkeiten in den Bereichen urbane Gerechtigkeitsanalyse, Klimaanpassungsplanung und humanitäre Einsatzkoordination.
Durch die Überführung der Kenntnisse über das Straßennetz von einer statischen Information zu einem dynamischen Veränderungsindikator bietet der Datensatz eine weltweit einheitliche Grundlage für fundierte Routen- und Zugänglichkeitsplanung und trägt zur Beobachtung der Fortschritte bei den UN-Nachhaltigkeitszielen (SDGs) bei.
Der Datensatz ist frei verfügbar über die Humanitarian Data Exchange, die offene Datenplattform des United Nations Office for the Coordination of Humanitarian Affairs (OCHA), und wird jährlich aktualisiert. Die zugrundeliegende Methodik und Forschung sind als Preprint (LINK) veröffentlicht.
Die Forschung und Datenveröffentlichung wurden durch die Klaus Tschira Stiftung unterstützt, deren Förderung es dem HeiGIT ermöglicht, offene georäumliche Innovationen für nachhaltige Entwicklung und humanitäre Hilfe voranzutreiben.
Die Forschung und Datenveröffentlichung wurden von der Klaus Tschira Stiftung unterstützt, deren Förderung es HeiGIT ermöglicht, offene Geoinformationstechnologie für Klimaschutzmaßnahmen und humanitäre Hilfe voranzutreiben.
Bild rechts: © sig_3co, Panoramax; Die Abbildung links veranschaulicht den Arbeitsablauf und die Herausforderungen bei der Extraktion von Straßenattributen aus 3-4 m PlanetScope-Bildern.



