Neue Publikation in “Nature Communications” über die ungleichmäßige Verteilung von Gebäude-Daten in OSM

Benjamin Herfort und seine Kollegen Sven Lautenbach, João Porto de Albuquerque, Jennings Anderson und Alexander Zipf haben einen Artikel in dem renommierten Journal Nature Communications (Impact Factor 2023: 17.7) veröffentlicht. In diesem Artikel adressiern die Forscher die ungleiche Verteilung von OpenStreetMap Daten weltweit, welche Forschungsergebnisse wie auch humanitäre Operationen beeinflussen kann. Die Autoren stellen Lösungen vor, wie Expert*innen mit solchen Datenlücken besser umgehen können und stellen Analysen für die Vollständigkeit von Gebäudedaten in 13.189 Städten weltweit bereit.

  • Herfort, B., Lautenbach, S., Porto de Albuquerque, J. et al. A spatio-temporal analysis investigating completeness and inequalities of global urban building data in OpenStreetMap. Nat Commun 14, 3985 (2023). https://doi.org/10.1038/s41467-023-39698-6

 

Das Problem:

Immer mehr Menschen wohnen weltweit in Städten. Besonders in Ländern mit niedrigem Einkommen hat sich die städtische Bevölkerung seit 2001 stark vergrößert. Ein Trend, der Expertinnen und Experten zufolge wohl auch die nächsten Jahrzehnte andauern wird. Dies stellt eine Herausforderung für die Verwirklichung der Ziele für nachhaltige Entwicklung (SDGs) dar, insbesondere für das SDG 11, das auf integrative, sichere, widerstandsfähige und nachhaltige Städte abzielt: Damit die SDGs verwirklicht werden können, sind verlässliche Daten für eine bessere Überwachung der städtischen Regionen erforderlich. Vor allem in Ländern mit niedrigem Einkommen sind die offiziellen Daten jedoch oft veraltet, unzugänglich oder nicht in Standardformaten verfügbar.

Forschende, humanitäre Organisationen und politische Akteure wie Médecins Sans Frontières und UN Habitat stützen sich in hohem Maße auf OpenStreetMap-Daten, vor allem in Regionen, in denen es nur wenige offizielle Daten gibt. Es gibt jedoch ein Problem, das oft nur wenig oder gar nicht wahrgenommen wird: Die OSM-Daten sind ungleichmäßig verteilt. Während für einige Regionen nahezu vollständige und aktuelle Daten vorliegen, sind andere kaum kartiert und daher in den globalen Daten stark unterrepräsentiert. Auf diese Schieflage haben Herfort et al. den Schwerpunkt ihrer Forschung gelegt.

 

Der Ansatz:

Mit Hilfe des ohsome framework von HeiGIT, das eine Analyse historischer OSM-Daten ermöglicht, untersuchten Herfort et al. anhand von mehr als 15 Jahren Datenmaterial, wie vollständig die Gebäudedaten auf OpenStreetMap für 13.189 Stadtgebiete sind – und wo noch Daten fehlen. Dazu berechneten sie zunächst, wo sich der Gebäudebestand weltweit befindet: Vor allem in Ost- und Südostasien ist die Gebäudedichte besonders hoch. Diese Ergebnisse verglichen sie dann mit den Gebäudedaten auf OpenStreetMap – und stellten fest, dass für Regionen mit einem hohen Gebäudebestand auffallend wenig Daten vorhanden sind.


Anhand von Berechnungen zeigt die Karte, welche Teile der Erdoberfläche mit Gebäuden bedeckt sind.

 


Die Karte zeigt, wie viele der tatsächlichen Gebäude in Städten weltweit tatsächlich als kartierte Daten in OpenStreetMap dargestellt sind.

Gerade für diese Regionen mit mittlerem und hohem Human Development Index (HDI), zum Beispiel Gebiete in Indien, China, Indonesien aber auch Lateinamerika, ist die Vollständigkeit der Daten in OSM besonders gering. Nur wenige der Gebäude sind tatsächlich kartiert. In Regionen mit niedrigem HDI, zum Beispiel auf dem afrikanischen Kontinent, ist die Vollständigkeit dagegen höher: Hier sind die Städte recht gut kartiert. Dies ist vor allem auf den starken Einfluss der humanitären Kartierungsaktivitäten zurückzuführen: Etwa 10 % aller weltweiten Gebäudedaten in städtischen Gebieten stammen von solchen Aktionen, in Subsahara-Afrika sind es sogar mehr als 50 %.

Humanitäre Kartierungsaktionen, bei denen Freiwillige auf der Grundlage von Luft- und Satellitenbildern Objekte auf der Erdoberfläche kartieren, machen insgesamt einen großen Teil der globalen Gebäudedaten aus. Solche kollektiven Kartierungsaktivitäten sind für humanitäre Organisationen unerlässlich, um Daten für die langfristige Überwachung zu sammeln, aber auch im Falle einer Krise, wenn die Ersthelfer*innen schnell aktuelle Daten benötigen.

Die Diagramme zeigen, dass Gebäudedaten in OpenStreetMap insbesondere für Regionen mit einem sehr hohen HDI-Index (Europa und Nordamerika) verfügbar sind. In Gebieten mit niedrigem Index und höherem Katastrophenrisiko (wie in Afrika südlich der Sahara) haben humanitäre Kartierungsmaßnahmen zur Vollständigkeit der Daten beigetragen. Regionen mit hohem und mittlerem HDI sind dagegen in OSM stark unterrepräsentiert (wie Lateinamerika, der Nahe Osten sowie Süd- und Südostasien).
Der Nutzen:

Herfort et al. stellen Daten über die Vollständigkeit des Gebäudebestands in 13.189 städtischen Regionen auf der ganzen Welt über das ohsome framework bereit: Klicken Sie hier, um es selbst auszuprobieren!

Das kurze Demo-Video unten zeigt die Unterschiede in der Vollständigkeit der Gebäudedaten zwischen Heidelberg in Deutschland, Santiago de Chile und der Stadt Sévaré in Mali: Während in Heidelberg im Januar 2023 97 % der Gebäude kartiert sind, liegt die Vollständigkeit für Santiago de Chile nur knapp über 25 %. In Mali hingegen ist zu erkennen, dass mehrere kleine Dörfer sorgfältig kartiert wurden. Große Sprünge in der Vollständigkeit, wie sie für Sévaré zu beobachten sind, deuten auf den Einfluss von Kartierungsereignissen hin.

 

Schauen Sie sich hier eine kurze Demo des Tools an und sehen Sie die Unterschiede hinsichtlich der Vollständigkeit zwischen Heidelberg (Deutschland), Santiago de Chile (Chile) und Sévaré (Mali).

Diese Informationen können Forschenden, humanitären Organisationen und anderen Beteiligten helfen, OpenStreetMap-Daten besser zu verstehen und zu bewerten. Sie können zum Beispiel aufzeigen, welche Regionen in globalen Studien besser ausgelassen werden sollten, um die Ergebnisse nicht zu verfälschen. In solchen Fällen können die Forschenden die von Herfort et al. geschätzten Gebäudedaten als Proxy verwenden. Sie können auch als Entscheidungsgrundlage dafür dienen, wo mehr Daten gesammelt werden müssen oder wo Kartierungsmaßnahmen bereits eine zuverlässige Datengrundlage geliefert haben. Solche Erkenntnisse sind auch vor dem Hintergrund der Ziele für nachhaltige Entwicklung von großer Bedeutung: Das Ziel „niemand wird zurückgelassen“ kann nur erreicht werden, wenn verlässliche Daten darüber vorliegen, wo und wie viele Menschen tatsächlich in städtischen Räumen leben.

Nächste Schritte:

Benjamin Herfort sieht in den Ergebnissen dieser Analyse eine wichtige Grundlage für die weitere Forschung: So müssen beispielsweise das Potenzial und die Qualität von KI-gestützten Kartierungen und Datensätzen im Lichte der neuesten technologischen Entwicklungen betrachtet werden. Darüber hinaus ist es wichtig, die Erkenntnisse zu nutzen, um das Potenzial der Kommunen zu stärken: „Unsere Ergebnisse zeigen, in welchen Städten und Regionen außerhalb Europas lokale OSM-Gemeinschaften es geschafft haben, eine sehr detaillierte und vollständige OSM-Karte zu erstellen. Gleichzeitig sehen wir aber auch viele andere Städte mit ähnlichen sozioökonomischen Merkmalen, die noch nicht in demselben Umfang kartiert wurden.“ Gemeinsam wolle man von den erfolgreichen Kartierungsprojekten lernen und die Erkenntnisse nutzen, um Gemeinden in schlecht kartierten Gebieten zu unterstützen, sagt er. Auf diese Weise können die Erkenntnisse von Herfort et al. dazu beitragen, die SDGs und eine gerechtere und nachhaltigere Zukunft für städtische Regionen zu erreichen.

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