Im Rahmen seiner Forschung zur Überwachung von Moskitos und innerstädtischem Auftreten des Dengue-Virus, besuchte Steffen Knoblauch, Doktorand und GIScience-Teammitglied, die „Universidade Federal Fluminese“ (UFF) in Niterói, im Brasilianischen Bundesstaat Rio de Janeiro. Dort traf er Mitarbeitende und Professor*Innen der UFF und präsentierte in einer Gastvorlesung seine Arbeit zum Thema „Modellierung des Dengue-Risikos im städtischen Maßstab”. Im Verlauf der Forschungsarbeit führten Steffen und sein Team einen Modellversuch durch und erzielten vielversprechende Ergebnisse. Der Versuch zeigte, wie digitale Modelle, die auf frei zugänglichen Daten basieren, den Arbeitsaufwand für die Überwachung von Moskitopopulationen verringern können. Offen zugängliche Geodaten könnten schon bald genutzt werden, um die Kontrolle von Krankheiten, die durch Stechmücken übertragenen werden, deutlich zu verbessern. Steffen besichtigte die Einrichtungen der Informatikabteilung der UFF und untersuchte außerdem die Verteilung von Wassertanks in verschiedenen urbanen Strukturen (wie Favelas, Wohn- und Gewerbegebieten), die er aus der Ferne für das gesamte Stadtgebiet von Rio de Janeiro mit frei zugänglichen Satellitenbildern kartierte. Weiterhin inspizierte er Standorte von Ovitraps, künstlichen Moskito-Brutstätten, die zur Überwachung der Population von Aedes Aegypti, dem Hauptüberträger (Vektor) des Dengue-Virus (DENV), benutzt werden.
Mit Stichproben-basierten Überwachungssystemen wie Ovitraps ist das Vorkommen von Aedes Aegypti besonders schwierig zu kartieren, da diese Art eine kurze Flugreichweite aufweist und viele unterschiedliche, kleine Brutstätten nutzt. Stattdessen könnten zum Katieren von Aedes Aegypti digitale Proxies benutzt werden, was den Arbeitsaufwand verringern würde. Zu diesem Zweck schlug Steffen einen neuartigen Rahmen für die halbautomatische Kartierung von Wassertanks vor, da diese Aedes Aegypti häufig als Brutplatz dienen. Ermittelt wurde die Bedeutsamkeit von Wassertanks als Indikatoren für die Dichte der Vektorenpopulation mit Hilfe zweier neuartiger selbst-lernender Modelle, die zur Erkennung von Wassertanks in Satellitenbildern entwickelt wurden – ein überwacht lernendes Modell und ein halb-überwacht-lernendes Modell (semi-supervised self-training, kurz SSST). Die Ergebnisse deuten auf größere Nützlichkeit von SSST gegenüber überwachtem Lernen hin. Seitdem haben Niterói und andere umliegende Gemeinden von Rio de Janeiro Interesse daran geäußert, ähnliche Analysen durchführen zu lassen. Hinsichtlich dessen trafen sich Steffen und das Team der Informatikabteilung der UFF sowie Professoren der Universidade Federal do Rio de Janeiro (UFRJ), die an ähnlichen Themen arbeiten, um gemeinsame Forschungsthemen und Ideen für die zukünftige Zusammenarbeit zu besprechen.
In seinem Gastvortrag stellte Steffen den Studierenden und Professor*Innen der UFF seine aktuellen Forschungsergebnisse und zukünftige Forschungspläne für die Stadt Rio de Janeiro vor. Sie zeigten großes Interesse an den von Steffen beschriebenen Ansätzen und daran, informatische Verfahren für gemeinnützige Zwecke einzusetzen, da viele von ihnen einen persönlichen Bezug zum Forschungsthema herstellen konnten. Die meisten Studierenden konnten ausführlich über DENV-Fälle in ihren Familien berichten, ein Indiz für die Häufigkeit von DENV in der Stadt Rio de Janeiro und den Stellenwert der Erforschung von Gegenmaßnahmen. Dieser ist besonders hoch, da es immer noch keinen wirksamen, weltweit zugelassenen DENV-Impfstoff für alle Bevölkerungsgruppen gibt. Die Tatsache, dass GeoAI zur präziseren Überwachung städtischer Moskitopopulationen beitragen und gezielteres Eingreifen in die Ausbreitung von Aedes Aegypti und anderen Vektoren ermöglichen kann, inspirierte viele der Studierenden dazu, KI-gestützte Vektorkontrolle zum Thema ihrer Abschlussarbeiten zu machen.
Weitere Methoden zur Moskitoprävention sowie Strategien zur weitreichenden Aufklärung über eine wirksame DENV-Prävention wurden während des Vortrags ebenfalls diskutiert. Zum Beispiel wurde alte Autoreifen als weitere Ursache für das Mückenproblem ausgemacht. Diese werden häufig als Pflanzgefäße verwendet, da sie erschwinglicher als normale Töpfe sind. Das verbessert jedoch auch die Brutbedingungen für Moskitos in den Reifen. Weiterhin wurde schlafen unter Moskitonetzen als unwirksame Präventionsmethode genannt, da Aedes Aegypti bevorzugt tagsüber sticht. Eher könnten Moskitonetze verwendet werden, um städtische Wassertanks abzudichten und so zu verhindern, dass Moskitos die Tanks als Brutstätten nutzen. Vortrag und Diskussion boten schlussendlich einen positiven Ausblick auf die Vektorkontrolle in der Zukunft und verdeutlichten das große Potenzial von digitalen Forschungsmethoden bei der Unterstützung von Mitarbeitenden in der örtlichen Vektorkontrolle, von Gesundheitsbehörden und Entscheidungsträger*Innen.