Im Rahmen einer transdisziplinären Zusammenarbeit entwickeln das Heidelberg Institute for Geoinformation Technology (HeiGIT), die GIScience Forschungsgruppe sowie das TdLab Geographie der Universität Heidelberg gemeinsam Anpassungsstrategien, die Risikogruppen während Hitzeperioden unterstützen und schützen sollen. Individuelle Bedürfnisse hitzesensitiver Personen und Nahe-Echtzeit-Sensordaten werden in einer hitzestressvermeidenden Routing-Anwendung kombiniert sowie in Form von analogen Karten und interaktiven Webanwendungen zur Verfügung gestellt. Das von der Baden-Württemberg Stiftung im Rahmen des Forschungsprogramms „Innovationen zur Anpassung an den Klimawandel“ mit über 600.000 € geförderte Projekt „Hitzeanpassung für vulnerable Bevölkerungsgruppen“ ist durch die Kombination der gewählten Methoden Vorreiter im Bereich der Anpassungsmaßnahmen an klimawandelbedingte Hitzeereignisse.
Luftaufnahme der Heidelberger Altstadt mit dem Universitätsplatz. Dieser war Untersuchungsort der Studie zur Klimawandelanpassung öffentlicher Plätze (Foshag et al. 2020). (Foto: Kathrin Foshag).
Hitzewellen, Unwetterereignisse, Dürreperioden – immer häufiger treten Extremwetterverhältnisse als eine Erscheinung des anthropogenen Klimawandels auf. Insbesondere Hitzeereignisse nehmen in ihrer Intensität und Häufigkeit zu, vor allem in Städten, wo Flächenversiegelung und geringe Begrünung weiter zu Hitzestress beitragen. Gesundheit und Wohlbefinden der Bürger*innen können unter dieser Belastung leiden: Kreislaufprobleme, Verschlimmerung von Krankheiten und Hitzschlag sind nur einige der gesundheitlichen Gefahren, denen vor allem Risikogruppen wie Ältere, Menschen mit Vorerkrankungen und kleine Kinder ausgesetzt sind. Des Weiteren weisen einige Forschungsarbeiten darauf hin, dass ein systematischer Zusammenhang zwischen längeren und intensiven Hitzeperioden und der Mortalität besteht.
Auch in Heidelberg ist die zunehmende Hitzebelastung mess- und spürbar: Datenerhebungen von Geograph*innen der Universität Heidelberg haben gezeigt, dass einige Plätze und Quartiere im Stadtgebiet von besonders starker Erhitzung betroffen sind. Dies kann die Aufenthaltsqualität für die Bürger*innen deutlich beeinträchtigen (Foshag et al. 2020). Vor diesem Hintergrund ist die Entwicklung von Anpassungskonzepten und Schutzstrategien auch im Stadtgebiet Heidelbergs dringend notwendig. Neben stadtplanerischen Aspekten sind vor allem individuelle Strategien, angepasst auf die Bedürfnisse der Zielgruppen, essenziell, um das Alltagsleben und die Mobilität in der Stadt auch bei extremen Temperaturen zu unterstützen und sicherzustellen.
An diesem Punkt setzt HEAL an: Das Projekt ist eine transdisziplinäre Kooperation des Heidelberg Institute for Geoinformation Technology (HeiGIT), der GIScience Forschergruppe der Universität Heidelberg, beide unter der Leitung von Prof. Dr. Alexander Zipf sowie des TdLab Geographie der Universität Heidelberg unter der Leitung von Dr. Nicole Aeschbach und wird von der Baden-Württemberg Stiftung im Rahmen des Forschungsprogramms „Innovationen zur Anpassung an den Klimawandel“ gefördert. Die Umsetzung des transdisziplinären Designs wird durch die Einbeziehung betroffener Personengruppen (Senior*innen, Menschen mit Vorerkrankungen, Familien mit kleinen Kindern), der organisierten Zivilgesellschaft (Senior*innenclubs, Familiennetzwerke) sowie der Stadtverwaltung Heidelbergs realisiert.
Kleine Kinder sowie ältere Menschen und Menschen mit Vorerkrankungen reagieren besonders sensitive auf Hitzeereignisse. Gemeinsam mit diesen Zielgruppen werden im Projekt individuelle Anpassungsstrategien und Schutzmaßnahmen entwickelt um den Alltag und die Mobilität auch während heißer Tage zu ermöglichen (Foto: Unsplash.com).
„Ziel von HEAL ist es, neben der Bereitstellung von Informationen und Anpassungskonzepten zu Hitzestress im Allgemeinen, im Rahmen einer App insbesondere Menschen in Risikogruppen eine hitzeangepasste Mobilität zu ermöglichen“, so Prof. Dr. Alexander Zipf. Zu diesem Zweck wird das Projekt Sensordaten in Nahe-Echtzeit nutzen, um Bereiche mit erhöhter Hitzebelastung zu identifizieren und zu modellieren. Basierend auf den Sensordaten und vorhandenen Klimaanalysekarten werden statistische Vorhersagemodelle entwickelt. Die Ergebnisse sollen in eine Navigation entlang beschatteter Routen einfließen. Die gewonnenen Informationen werden aufbereitet und über eine interaktive Anwendung sowie als analoge Materialien und Karten zur Verfügung gestellt.
„Auf diese Weise wird für den Raum Heidelberg die Wissensbasis über die Auswirkungen von Hitzeereignissen auf Risikogruppen erweitert, anhand von Nahe-Echtzeitdaten individuelle Anpassungsstrategien beforscht und umgesetzt sowie gemeinsam mit der Stadtverwaltung administrative Maßnahmen entwickelt.“ erklären Dr. Kathrin Foshag und Johannes Fürle, Mit-Initiatoren des Forschungsprojekts.
Im Fokus des Projektes stehen zwei Aspekte:
Einbindung von Stakeholdern und Zielgruppen in den Forschungs- und Entwicklungsprozess
Durch die direkte Einbindung von Risikogruppen können deren Bedürfnisse zielgerichtet ermittelt werden und der Forschungs- und Entwicklungsprozess kann individuell angepasst werden. Beispiele hierfür sind etwa zentrale Parameter für ein hitzevermeidendes Routing, wie Steigung, Lärm und Grünheit. „Dieser transdisziplinäre Ansatz erhöht die Wirksamkeit und Umsetzbarkeit der Maßnahmen entscheidend“, so Dr. Nicole Aeschbach, Leiterin des TdLab Geographie.
Einbindung öffentlicher Smart City Daten in ein Routing System
Im Rahmen einer App soll anhand von Nahe-Echtzeitdaten eine Routinganwendung umgesetzt werden, mithilfe derer Nutzende möglichst schattige und hitzestressvermeidende Routen berechnen lassen können. Als mögliche Einflussfaktoren auf die Routen soll neben den von Zielgruppen selbst bestimmten Bedürfnissen auch ein ausgedehntes LoRaWAN-Sensornetzwerk im Stadtgebiet Heidelberg dienen. Hierzu kooperiert das Team mit der Digitalagentur der Stadt Heidelberg als externer Partnerin um neue Sensoren im Stadtgebiet zu implementieren. Mit diesen können Nahe-Echtzeitinformationen über Parameter wie Lufttemperatur und Luftfeuchte in das Routing integriert werden und erlauben damit größte Flexibilität für die Routenplanung. Der Ansatz geht damit weit über bestehende Modelle hinaus: „Durch die Verwendung dynamisch aktualisierter Indikatoren und die hohe räumliche Auflösung der fusionierten Routinggewichte wird eine Planbarkeit von Routen und die Auswertung der Sensordaten und Indikatoren hinsichtlich optimaler Mobilitäts- und Aktivitätszeiträumen möglich.“ betont Dr. Sven Lautenbach.
Über das HeiGIT
Das Ziel des Heidelberg Institute for Geoinformation Technology (HeiGIT) ist es, den Wissens- und Technologietransfer aus der Geoinformatik-Grundlagenforschung in die Praxis auf Basis innovativer Geoinformationstechnologien zu verbessern. Es wird von Prof. Dr. Alexander Zipf wissenschaftlich geleitet und von der Klaus Tschira Stiftung gGmbH gefördert. Als An-Institut der Universität Heidelberg besteht eine enge Zusammenarbeit mit den Mitarbeiter*innen der Abteilung Geoinformatik am Geographischen Institut. So können innovative Lösungen auf dem aktuellsten Stand der Forschung und Technik realisiert werden.
Über die GIScience Forschungsgruppe
Die GIScience Research Group der Universität Heidelberg beschäftigt sich mit innovativer Grundlagen- und angewandter Forschung sowie neuester Technologie an der Schnittstelle zwischen Geographie und computational sciences. Durch die sehr enge Zusammenarbeit mit dem HeiGIT, besteht die Möglichkeit, Forschungsarbeiten auf dem neuesten Stand der Technik zu realisieren. Das HeiGIT/GIScience-Team betreibt und entwickelt seit mehr als zehn Jahren den openrouteservice (ORS), welcher als Backend für die Routing-Applikation verwendet werden soll.
Über das TdLab Geographie (Transdisziplinaritätslabor)
Das Team des TdLab Geographie (Transdisziplinaritätslabor) der Universität Heidelberg erarbeitet unter der Leitung von Dr. Nicole Aeschbach im Co-Design mit Akteuren aus Unternehmen, Behörden, der Politik sowie der Zivilgesellschaft Klimaschutz- und Klimawandelanpassungsmaßnahmen. Dazu wird natur- und gesellschaftswissenschaftliche Forschung mit Anforderungen und Wissen aus der Praxis verknüpft. Kennzeichnend für den transdisziplinären Forschungsprozess sind innovative Methoden, die auf eine wirksame Integration der verschiedenen Perspektiven abzielen.
Kontakt:
GIScience Research Group
Geographisches Institut
Universität Heidelberg
Im Neuenheimer Feld 348
69120 Heidelberg
Email: johannes.fuerle [at] uni-heidelberg.de
Tel.: +49 (0) 6221 54-5525